Die Hoffnung bestand, dass 2022 ein ruhigeres Jahr werden würde als die beiden Jahre davor. Anlass zum Optimismus gab die, zumindest gefühlt, abflauende Corona-Pandemie und die damit einhergehende Erwartung einer Stabilisierung der Weltwirtschaft. Rückblickend kann man sagen: Es kam anders. Und so war das Jahr 2022 geprägt von Turbulenzen, die wir aus Bankensicht nachfolgend ein wenig einordnen möchten.

Die Ausgangslage: Was ist passiert?

Am 24. Februar 2022 hat Russland seine Angriffe gegen die Ukraine gestartet. Die Nachrichtenagentur Reuters schätzt, dass seit Kriegsbeginn mehr als 41.000 Menschen ihr Leben im Krieg verloren haben. Circa 14 Millionen Menschen sind aus der Ukraine geflüchtet und es sind Schäden im Wert von 350 Milliarden US-Dollar an Gebäuden entstanden.

Energiekrise

In Folge des Kriegs haben zahlreiche Staaten, darunter die der europäischen Union, weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen Russland ausgesprochen. Daraus resultiert nun jedoch auch in Deutschland eine Energiekrise, die Folgen sowohl für Privatpersonen, als auch für Unternehmen hat.

Lieferkettenproblematik

Aktuell erleben wir in vielen Bereichen Engpässe in der Verfügbarkeit von Produkten. Beispielsweise waren Halbleiterchips akute Mangelware und ganze Branchen, wie die Automobilbranche, gerieten ins Stocken. Momentan, während der aktuellen Erkältungs- und Grippesaison, sind einige Medikamente knapp, die besonders dringend benötigt werden. Auch die Bauindustrie kann längst nicht auf alle Baumaterialien zugreifen. Die Ursachen für die Lieferkettenproblematik sind vielschichtig. So zahlen der Krieg in der Ukraine (Mehl, Legierungen, Energie), aber auch die andauernde Coronapandemie (Produkte aus China) sowie in manchen Bereichen Rohstoffknappheit darauf ein. Auch führten akute Krisensituationen (zunächst Pandemie, dann Krieg, nun Krankheitswelle) zu einer stark erhöhten Nachfrage nach bestimmten Produkten, was dann wiederum zu einer Knappheit führte.

Inflationsproblematik

Verbraucherinnen und Verbrauchen stöhnen über eine zweistellige Inflationsrate von stellenweise über 10%. Insbesondere Lebensmittel- und Energiepreise sind stark gestiegen. Die Steigerung der Energiepreise lässt sich durch den Ukrainekrieg erklären. Die hohen Preise für Gas, Öl und Strom wiederum bedingen dann die höheren Preise für Lebensmittel, da hierdurch die Herstellungskosten signifikant in die Höhe schnellen. Auch die Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung trägt ihren Teil zur Inflation bei. Durch die Lieferkettenproblematik und den damit einhergehenden Produktengpass steigen die Preise.

Zinsproblematik

Um der Inflation entgegenzuwirken, wurde ein Mittel auf den Finanzmärkten wieder gesichtet, welches fast als ausgestorben galt: Der Zins ist zurück. Sowohl die US-Notenbank FED (auf mittlerweile 4,5%) als auch die europäische Zentralbank (2,5%) haben schrittweise das Zinsniveau angehoben, um der Inflation entgegenzuwirken. Dies jedoch könnte negative Folgen für die weltweite Konjunktur haben und auch in Deutschland bewegen wir uns bereits in einer milden Rezession.

Zusammengefasst kann man also mit Fug und Recht von einer brisanten Gemengelage sprechen, die Auswirkungen für uns als Bank aber natürlich auch für alle unsere Kundengruppen hat.

Auswirkungen auf Firmenkunden

„Für unsere Firmenkunden ergeben sich mehrere Herausforderungen“, erklärt Ulrich Amann (Bereichsleiter Firmenkunden) und ergänzt: „Je nach Branche treffen die Entwicklungen die Firmen in unserer Region unterschiedlich hart.“ Hotellerie und Gastronomie kommen bereits aus einer herausfordernden und existenzbedrohenden Pandemiezeit und müssen nun mit gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen umgehen. Die mittelständischen Industrieunternehmen sind besonders hart von den hohen Energiepreisen betroffen, oftmals kommt noch die Lieferkettenproblematik hinzu und wichtige Bauteile sind nicht verfügbar. Die gestiegenen Zinsen machen darüber hinaus auch notwendige Finanzierungen teurer als noch in der jüngeren Vergangenheit. „Mein Team mit allen Beraterinnen und Beratern steht unseren Unternehmenskunden jederzeit beratend zur Seite, es ist unser Anspruch, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein verlässlicher Partner zu sein“, betont Ulrich Amann.

Auswirkungen auf Privatkunden

Privatkunden spüren die Auswirkungen vor allem im Geldbeutel. Der Wocheneinkauf im Supermarkt wird bedeutend teurer und die Abschläge für Strom und Gas steigen zum Teil dramatisch. „Der Gesetzgeber hat diesbezüglich diverse finanzielle Hilfen, wie etwa die Strom- und Gaspreisbremse, in die Wege geleitet“, sagt Helmut Schmeh (Bereichsleiter Privatkunden). Auch die Arbeitgeber können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer steuerfreien Inflationsausgleichsprämie bis zu 3.000 € finanziell unterstützen. „Wir haben uns als VR Bank Ravensburg-Weingarten eG dazu entschlossen, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit dem Dezembergehalt eine entsprechende Prämie in Höhe von 1.500 Euro auszuzahlen. Uns ist bewusst, dass die finanzielle Situation für viele Menschen in Deutschland aktuell herausfordernd ist, und als verantwortungsbewusster Arbeitgeber möchten wir hier helfen“, so Vorstandssprecher Arnold Miller.

Kundinnen und Kunden, die aufgrund der gestiegenen Preise an ihre Limits gekommen sind, ruft Helmut Schmeh auf, das Gespräch mit den Beraterinnen und Beratern der VR Bank zu suchen. „Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um zu reagieren und wir sind bei der individuellen Lösungsfindung gerne an Ihrer Seite.“

Auswirkungen auf Immobilienkunden

Der Bau- und Immobilienmarkt kannte in den zurückliegenden Jahren nahezu keine Grenzen. Aufgrund der extrem günstigen Darlehenskonditionen waren Baugrundstücke, wie auch Bestandsimmobilien sehr gefragt. „Aktuell erleben wir, dass die Nachfrage nach Neubaufinanzierungen zurückgeht, während Bestandsimmobilien nach wie vor gefragt sind“, sagt Hermann Stehle, Teamleiter Baufinanzierungen und Vermittlergeschäft. „Zum einen sind Finanzierungen teurer geworden, zum anderen sorgen Lieferengpässe und die knappe Ressource der Handwerker für Unsicherheiten beim Bau. Leider hat auch die Bundesregierung durch Intransparenz bei den Fördermöglichkeiten zur Zurückhaltung beim Bau beigetragen“, erklärt Hermann Stehle.

„Wir erleben jedoch eine hohe Nachfrage nach energetischen Sanierungen und Renovierungen. Immobilienbesitzer wollen den hohen Energiepreisen entgegenwirken und etwas autarker werden“, so Hermann Stehle weiter. „Die Relevanz dieses Themas hat sich auch im Rahmen unserer Kundenveranstaltung gezeigt. Michael Maucher von der Energieagentur Ravensburg sowie Michael Vogt von Elektro Vogt in Horgenzell haben im Rahmen dieses Formats wertvolle Tipps zum Energiesparen geben können.“

Und auch Neubauprojekte könnten wieder interessanter werden: „Bauplätze, die in den vergangenen Jahren gar nicht erst verfügbar gewesen wären, können jetzt erworben werden. Wir rechnen auch damit, dass sich die Verfügbarkeit von Handwerkern in den kommenden Jahren wieder bessern könnte. Gepaart mit einer passenden Finanzierung kann das für viele Bauwillige durchaus eine attraktive Gemengelage sein, der Zins hat sich momentan auch wieder etwas stabilisiert“, sagt Michael Detzel als Bereichsleiter für Immobilien und Baufinanzierungen. Spannend für Kundinnen und Kunden, die ihre Finanzierungen gerne abgesichert sehen wollen, ist der VR-BaufiRetter, der eine Restschuldversicherung darstellt. „Wenn gewisse Fallstricke greifen, die eine Bedienung des Kredits unmöglich machen, greift der VR-BaufiRetter“, erklärt Hermann Stehle, der gemeinsam mit seinem Team das Produkt auch gerne im persönlichen Gespräch erläutert.

Für das Jahr 2023 ist eine spannende Neuerung in Baufinanzierungsberatung geplant: „Wir arbeiten aktuell an der Einführung von Geno-Berater. Dabei handelt es sich um ein vollkommen digitales Baufinanzierungs-Beratungstool, welches insbesondere für die digital sehr affine Zielgruppe interessant sein wird. Selbstverständlich beraten wir aber auch weiterhin persönlich mit vollem Elan!“, lässt Hermann Stehle keinen Zweifel.

Auswirkungen auf Aktienmärkte

Starke Nerven brauchten in diesem Jahr auch alle Kundinnen und Kunden, die auf den Aktienmärkten unterwegs waren. Bereits die Coronapandemie sorgte seit dem Ausbruch im März 2020 für Achterbahnfahrten auf den weltweiten Börsen. Als sich diese Problematik beruhigt hatte, sorgte der Ukrainekrieg erneut für eine Talfahrt an den Börsen. „Die geopolitische Krise in der Ukraine hat eine Kettenreaktion ausgelöst“, analysiert Andreas Nickolaus (Bereichsleiter Private Banking). „Folge sind Energieunsicherheit und dadurch bedingte hohe Inflation sowie enorme Belastungen für die Staatshaushalte zur Abmilderung der Auswirkungen für Bürger und Unternehmen. Die Auswirkungen für die Kapitalmärkte sind dabei maßgeblich durch die schnellen Zinserhöhungen der globalen Notenbanken getrieben gewesen. Die höheren Zinsen belasten die weltweiten Aktienmärkte, besonderes Wachstumstitel sind davon betroffen.“

Corona sei nicht mehr das bestimmende Thema der Finanzwelt. Gestörte Lieferketten durch die Null-Covid Strategie in China wirken jedoch weiterhin belastend auf die globalen Märkte, erklärt Andreas Nickolaus und wagt zugleich einen Ausblick auf die kommenden Jahre: „Die Zinserhöhungen zur Inflationsbekämpfung dürften in 2023 ihren Höhepunkt erreichen, dabei gehe ich davon aus, dass die US-Notenbank ihre Zinserhöhungen früher beendet als die EZB. Ausgewählte festverzinsliche Wertpapiere können zur Beimischung wieder in die Depots aufgenommen werden, da der Renditeanstieg zu teils deutlichen Kursabschlägen geführt hat. Die Weltwirtschaft wird im kommenden Jahr in eine Rezession mit regionalen Unterschieden abgleiten, aber ab 2024 sehe ich gute Chancen wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren. Am potenziellen Ende der Zinserhöhungen ergeben sich gute Chancen zum Einstieg bzw. Aufbau in die globalen Aktienmärkte.“

Eins ist schon jetzt sicher: Langweilig wird es auch im Jahr 2023 auf den Finanzmärkten nicht werden, zu herausfordernd ist nach wie vor die Gemengelage. Genauso sicher ist jedoch auch: Als regionale Genossenschaftsbank sind wir an Ihrer Seite und unterstützen Sie gerne in allen Fragen rund um Ihre Finanzen.

Kommen Sie gut ins neue Jahr!